3D-Print: Die Baustelle der Zukunft
Wie wäre es, beim Bau eines Gebäudes Akzente mit einer ganz individuellen Wandgestaltung setzen zu können, auf der Terrasse einen optimal auf den Sonnenplatz ausgearbeiteten Sichtschutz zu platzieren, den massgeschneiderten Gehweg easy verlegen zu lassen und bei all dem auch noch CO2 zu reduzieren? Wie das gehen soll, weiss das Start-up PrintStones.
Das Wiener Start-up PrintStones beschäftigt sich seit 2017 mit der Automatisierung im Baubetrieb. Im Fokus steht die Entwicklung eines 3D-Druckverfahrens für die automatisierte sowie baustellentaugliche Herstellung von Betonobjekten, das mit gleich zwei ungewöhnlichen Merkmalen auf sich aufmerksam macht: Es ist mobil und druckt Beton sowie weitere zementöse Materialien, die auf der Baustelle zum Einsatz kommen. Konventionelle Schalungselemente gehören damit der Vergangenheit an. Dr. Herwig Hengl ist Gründer des Spin-offs der TU Wien. Vor etwa fünf Jahren kam er erstmals als Mitarbeiter am Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen mit der additiven Fertigung in Berührung: «Wir kamen auf diese Idee, als wir ein Simulationstool entwickelten, das zu Spannungsund Verformungsanalysen von beanspruchten Bauteilen herangezogen werden kann. Zur Verifizierung der Simulationsergebnisse mussten die vorerst virtuellen Bauteile nachgebaut und belastet werden. Da dies ein sehr kostenintensiver und zeitaufwendiger Prozess ist, haben wir nach einer Möglichkeit gesucht, die Bauteile automatisiert direkt aus 3D-Modellen herzustellen», erinnert sich der Jungunternehmer. Idealerweise sollte das natürlich direkt am finalen Einsatzort stattfinden: auf der Baustelle der Zukunft. Die PrintStones-Gründer konnten sich mit ihrer Geschäftsidee gegen etwa 200 weitere Start-ups in einem Auswahlverfahren des universitären Inkubators INITS durchsetzen. Daraufhin wurde das Geschäftsmodell anhand qualitativer und quantitativer Experimente validiert und die Entwicklung des «PrintStones X1» konnte an den Start gehen.
Potenzielle Anwendung in eigener Sache
Die Gimatic Vertrieb GmbH liefert das Werkzeugwechselsystem für den 3D-Drucker. Die Hechinger waren schon immer aufgeschlossen gegenüber ungewöhnlichen und nicht gleich auf Massen ausgerichteten Anwendungen gewesen. In diesem Einsatzfall sieht Geschäftsführer Johannes Lörcher sogar eine Anwendung in eigener Sache: «Der 3D-Druck ist ja sehr im Kommen und man liest auch immer mehr über Neuentwicklungen für die Baubranche. Ich finde die Idee, Bausteine zu drucken, klasse – auch wenn das Drucken von Ziegeln wegen der Vorschriften noch nicht möglich ist. Aber bei unserem aktuellen Neubau in Hechingen könnten wir bald sehr gut einen solchen Drucker für die vielen Flächen an Pflastersteinen gebrauchen.» Johannes Lörcher geht davon aus, dass solche Anwendungen im nicht industriellen Bereich mit der Weiterentwicklung der Cobots noch stark zunehmen wird.
Ein Kubikmeter Beton mit freier Geometrie
Der PrintStones X1 ist ein früher Prototyp eines mobilen Baustellen-3D-Druckers. Mit ihm können momentan Betonelemente bis zu einer Grösse von etwa 1 m3 gedruckt werden. Der Roboter kann sowohl aussen als auch innen eingesetzt werden. Er macht konventionelles Schalen überflüssig, indem definierte Materialvolumina durch einen computergesteuerten Positionierungsprozess in aufeinanderfolgenden Schichten präzise platziert und verfestigt werden. Das 3D-Druckverfahren besteht aus zwei allgemeinen Schritten: der 3D-Modellierung und dem Komponentendruck. Bei der Pfadgenerierung werden verschiedene Methoden zur Generierung von Roboter-Trajektorien implementiert. Im Allgemeinen besteht jede Schicht aus einer Aussenkontur und einem Füllmuster, die als Wabenstrukturen oder raumfüllende Kurven ausgeführt werden können. Die Materialvorbereitung verläuft vollautomatisch über ein vorgeschaltetes Mini-Betonwerk. Dabei kann die Rezeptur während des Druckprozesses variiert werden, um beispielsweise stark belastete Zonen mit höherfestem Material zu drucken. Mit dieser Technologie lassen sich Bauteile ab Losgrösse 1 in variabler Form drucken.
Werkzeugwechsler mit Schlüsselrolle
«Gimatic hat früh das Potenzial von PrintStones erkannt und uns mit einem passenden Angebot unterstützt», so der Gründer. Momentan verfügt der PrintStones X1 neben der 3D-Druck-Düse über ein weiteres Werkzeug zum Vermessen des Untergrundes, auf dem gedruckt wird. Der Werkzeugwechsler sei daher ein wichtiger Bestandteil des Systems und für den vollautomatischen Wechsel zwischen den Werkzeugen nötig. «Diese Anwendung zeigt einmal mehr, wie praktisch es ist, einen Ansprechpartner vor Ort zu haben», erinnert sich Johannes Lörcher. «Unser Technischer Berater Lars Janser von unserer Niederlassung in Graz besuchte nach einem ersten Kontakt von Seiten PrintStones das Start-up in Wien, hat die Jungunternehmer beraten und überzeugt. Unser Werkzeugwechsler hat es ihm leicht gemacht: Hauptargumente waren sicher, dass er sehr kompakt gebaut ist und eine supereinfache Ansteuerung bietet.»
Steckbrief des Werkzeugwechslers
Der vollelektrische Werkzeugwechsler vom Typ EQC75 eignet sich für Wechselanwendungen mit Nutzlasten von bis zu 10 kg. Hauptsächlich findet er Einsatz in Handlingund Linearrobotern für die Industrie, die mechatronisch arbeiten und ganz auf Pneumatik verzichten. Mit seinen kompakten Abmessungen von 75 × 145 × 60 mm wiegt er nur 1,1 kg. Damit passt er in der Industrie beispielsweise in die engen Einbauräume vieler kleiner Roboter in der Gewichtsklasse bis 5 kg. Angesteuert wird der EQC75 über die bewährte 24-V-I/O-Schaltung. Eine Programmierung oder zusätzliche Ansteuerung ist nicht notwendig. Sein maximales Moment beträgt 150 Nm, die maximale Zugkraft 2000 N und die maximale Nutzlast 10 kg. Für Anwender, die nicht komplett umsteigen möchten, lässt er sich zwischen Elektrik und Pneumatik leicht umstellen, denn das Wechselsystem verfügt über vier Luftanschlüsse. Es wurde zudem mit integrierten Sensoren zur Stellungsabfrage ausgestattet. Die Signalausgabe erfolgt über das Hauptkabel. Mittels der 24-poligen Stecker und des 8-poligen Kabels lassen sich die Signale der Sensoren und die Stromversorgung übertragen. Dank eines zugehörigen, kompatiblen Adapters, der nach ISO 9409-1 zertifiziert ist, können auch Fremdfabrikate angeschlossen werden. Auch ein nachträglicher Umbau ist problemlos möglich.
3D-Druck reduziert CO2-Emissionen
«Beton ist nach Wasser das vom Menschen am meisten verwendete Material, allerdings zu einem hohen Preis. Die Zementherstellung ist für etwa acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich», gibt Dr. Hengl zu bedenken. Der Anteil an CO2-Emissionen der Luftfahrt sei hier mit 2,6 Prozent vergleichsweise niedrig. «Daher sollte es unser Ziel sein, den Zementverbrauch zu reduzieren, wo immer es geht. Der Beton-3D-Druck bietet hier die Möglichkeit, schwach belastete Zonen eines Bauteils auszusparen und so Material einzusparen.» Das System ist als Multi-Tool Device ausgelegt. Die Beton-3D-Druckdüse ist also eines von vielen möglichen Werkzeugen. Weitere Werkzeuge sollen in Joint-Development- Projekten mit zukünftigen Anwendern und Kunden entwickelt werden. «Wir sind in erster Linie in Forschung und Entwicklung tätig und versuchen zukünftige Kunden möglichst weit einzubeziehen. Dabei arbeiten wir ausschliesslich mit lokalen Partnern wie Architekturbüros, Industriedesignern, Bauherren und Bauunternehmern. Bei der letzteren Gruppe müssen wir noch etwas Pionierarbeit leisten, denn die Baubranche, welche etwa sieben Prozent des Weltmarktes ausmacht, investiert in Forschung und Entwicklung weitaus weniger als der Durchschnitt anderer Branchen», gibt Herwig Hengl zu bedenken.
Vision und Möglichkeiten
«Unsere Vision, oder sollte ich eher sagen Mission, ist die Automatisierung und Optimierung von Bauverfahren. Wir möchten monotone Tätigkeiten auf der Baustelle mit unserer Technik reduzieren und Bauarbeiter entlasten. Ein gutes Beispiel ist das Verlegen von Pflastersteinen. Kein Mensch hat Spass daran, acht Stunden am Tag auf den Knien in gebückter Haltung Steine zu verlegen. Mit dem mobilen 3D-Drucker können diese Steine direkt auf die obere Tragschicht des Strassenaufbaus gedruckt werden – ein Verlegen ist dann nicht mehr nötig», zeigt Herwig Hengl eine der Möglichkeiten auf. Aktuell arbeitet PrintStones als ausführendes Unternehmen an Pilotprojekten im Baubereich, innerhalb von fünf Jahren möchte das Start-up den Wechsel zum Systemanbieter vollzogen haben.