Naturasphalt aus der Schweiz
Im frühen 18. Jahrhundert stiess ein griechischer Geschäftsmann den Asphaltabbau im Val de Travers an. Später stammten signifikante Anteile der globalen Asphaltproduktion aus jenem Abbaugebiet.
Dass die Schweiz in der globalen Asphaltproduktion einst eine zentrale Rolle spielte, dafür war ein gewisser Eirini d’Eirinis entscheidend verantwortlich. Doch über den Griechen, der mutmasslich um das Jahr 1630 herum im Gebiet der heutigen Ukraine geboren wurde, ist wenig bekannt. Das Historische Lexikon der Schweiz HLS markiert in den paar wenigen Zeilen über den Mann sogar dessen Geburtsjahr mit einem Fragezeichen. Dies nicht ohne Grund. Gemäss Überlieferung von Zeitzeuge und Mediziner Albrecht von Haller, der im Lexikoneintrag erwähnt wird, soll d’Eirinis gegen 1730 im neuenburgischen Boudry verstorben sein. Dass ein im frühen 17. Jahrhundert geborener Mann gut 100 Jahre alt wird, dürfte eine Seltenheit gewesen sein. Denn noch im 19. Jahrhundert betrug die statistische Lebenserwartung gemäss der Deutschen Forschungsgesellschaft für Heraldik und Genealogie für Männer und Frauen weniger als 40 Jahre.
Dieser d’Eirinis soll gemäss HLS im Jahr 1709 in die Schweiz gekommen sein. Er soll sich als Mediziner und Griechischlehrer bezeichnet haben, sich allerdings als Minenprospektor und -unternehmer betätigt haben. Nach seiner Ankunft in der Schweiz soll er sich zunächst für die Kohle von Paudex VD am Genfersee und danach für Basler Steinkohle interessiert haben. Ein besonderes Augenmerk aber legte er auf den Waadtländer und Neuenburger Asphalt. In einem Wikipedia-Eintrag wird ohne Quellenangabe gemutmasst, d’Eirinis habe sich vorerst nur für die medizinische Anwendung von Asphalt interessiert. Belegt indes ist, dass er sich in den folgenden Jahren intensiv mit der technischen Anwendung auseinandersetzte und mehrere Schriften zum Thema veröffentlichte. Gemäss HLS soll es sich dabei um «halb Werbung, halb wissenschaftliche Publikationen» gehalten haben. Darunter 1721 seine «Dissertation über den Naturasphalt».
Die werberische Färbung der Texte lässt sich erklären: Bereits zehn Jahre davor hatte d’Eirinis grössere Asphaltvorkommen im Val de Travers entdeckt. Im Jahr 1717 erwarb er die Konzession für den Abbau der Bodenvorkommen im Tal und gründete eine Gesellschaft für die Ausbeutung sowie den internationalen Verkauf. Dafür rührte er die Werbetrommel.
Asphaltabbau läuft an
Der Abbau von Naturasphalt im Val de Travers, dem einzigen bedeutenden Schweizer Vorkommen, hatte bereits 1714 begonnen. Ab 1717 wurde er unter Konzessionär d’Eirinis intensiviert und professionalisiert. Gemäss HLS erfolgte der Abbau zuerst am linken Ufer der Areuse. Wie man auf der Website mines-asphalte.ch erfährt, wo auf die heutige touristische Nutzung aufmerksam gemacht wird, beschränkte sich der Abbau zunächst auf eine Stelle bei Combe-Vaubayon und wurde im Tagbau betrieben. Ab ungefähr 1830 – d’Eirinis war zu diesem Zeitpunkt bereits 100 Jahre tot, wurde der Abbau im Val de Travers auf eine zweite Fundstätte ausgeweitet, auf La Presta am rechten Areuse-Ufer bei Couvet. Nach d’Eirinis Tod hatte dessen Sohn seine Aktivitäten fortgesetzt und unter anderem entscheidend zur Erdpechgewinnung im Elsass beigetragen. Im Val de Travers spielten die d’Eirinis aber fortan keine Rolle mehr. Während das Abbauunternehmen bis Mitte des 19. Jahrhunderts von Neuenburger Unternehmern geführt wurde, waren es später französische und englische Geschäftsleute, die den Schweizer Asphalt abbauten und verkauften.
Unter die Erde
Ab den 1870er-Jahren begann die Ausbeutung in La Presta unter Tag. In den folgenden gut 100 Jahren wurde ein Stollensystem von über 100 Kilometer Länge ausgebrochen. Wie es im HLS heisst, erfolgte der Abbau unter Tag auf einer Fläche von rund 402 Hektaren. Wie es in einem Beitrag der NZZ heisst, kam die Mine «auf ihrem Zenit im 19. Jahrhundert … für ein Fünftel der Welt-Asphaltproduktion auf. Das dem Erdöl ähnliche Erdpech wurde in Blöcken über Marseille verschifft – bis Mexiko, Brasilien und Neuseeland.» Der entsprechende NZZ-Autor vermittelt auf ein paar Zeilen einen Einblick in das Leben der damals beschäftigten Bergleute, den er bei einem Besuch im örtlichen Museum gewonnen hatte: «Diese (Bergleute) schufteten sechs Tage in der Woche. Jeweils gegen 15 Uhr brachten sie das in den Stollenwänden placierte Dynamit zur Explosion, um tags darauf die weggesprengten Steine in mühseliger Arbeit einzusammeln. Trotzdem reichte ihr magerer Lohn – von rund fünf Franken pro Tag im Jahre 1900 – nicht aus, um eine Familie zu ernähren. So waren sie meist auch Bauern, die Viehzucht betrieben.»
Tiere kamen indes auch in den Abbaustollen zum Einsatz. Erst 1975 wurden die Grubenpferde durch elektrische Lokomotiven ersetzt. Die La-Presta-Grubenpferde gehörten damit zu einer der spätesten Generationen von Grubenpferden, die in Europa eingesetzt wurden. 1986 wurde das Bergwerk schliesslich stillgelegt. Im Jahr darauf wurde ein Tourismusbetrieb etabliert, der noch heute Bestand hat und weiterentwickelt wird. Gemäss Angaben von Mines d’Asphalte besuchen im Schnitt rund 22’000 Besucher pro Jahr das Schaubergwerk.