Anklage gegen den Abriss von Gebäuden
Das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) zeigt bis 23. Oktober 2022 die Ausstellung «Die Schweiz: Ein Abriss». Diese thematisiert, dass rund ein Drittel der Schweizer Treibhausgase direkt durch die Bautätigkeit verursacht wird.
84 Prozent des Abfalls in der Schweiz besteht aus Bauabfällen. Dies verursacht pro Sekunde über 500 Kilo Bauabfall. Die Deponien füllen sich schneller, als neue Standorte erschlossen werden können. Rund ein Drittel der Schweizer Treibhausgase wird direkt durch Bauten und Bautätigkeiten verursacht, knapp 10 Prozent allein durch die verwendeten Baumaterialien. Damit nimmt auch die Graue Energie zu, die zur Erstellung von Gebäuden benötigt wird.
Gebäude erhalten statt abbrechen
Um auf die Tragweite der Schweizer Abriss-Praxis aufmerksam zu machen, kuratiert der Verein Countdown 2030, der sich für eine zukunftsfähige Baukultur einsetzt, im SAM diesen Herbst die Ausstellung «Die Schweiz: Ein Abriss». Die Aussteller plädieren für den Erhalt, Umbau und die Umnutzung bestehender Gebäude. Abrisse und Ersatzneubauten sollten, wenn immer möglich, verhindert werden und dürfen nicht länger die erste und scheinbar beste Option sein.
Was zeigt die Ausstellung?
Die Ausstellung und das Begleitprogramm beleuchten das Thema Abriss unter vier Aspekten:
- Die enorme Masse der Abrisse,
- die Dringlichkeit hinsichtlich Ressourcen, Klima und Gesellschaft,
- Gesetze und Normen, die Abrisse begünstigen,
- der Fluss des Geldes und die Motivation, die hinter einem Abriss steht.
Der Rundgang durch die Ausstellung beginnt mit der «Strasse der verlorenen Häuser». Mittels Fotomontage werden einzelne Gebäude zu einer fiktiven Strasse aufgereiht. Die abgebildeten Gebäude wurden in jüngster Zeit abgerissen oder stehen unmittelbar vor dem Abriss und zeigen in ihrer Reihung eine Umgebung, die es so nie gegeben hat.
Filme zeigen Rückbau von Gebäuden
Thema des zweiten Raumes ist das Ausmass der Abrisse: Auf ausgedienten Heizkörpern und Küchengeräten statt auf Kinosesseln sitzend, können grossformatige, unkommentierte Filme betrachtet werden, die zeigen, wie der Rückbau von Gebäuden heute funktioniert. Durch einen Vorhang aus Baufolie gelangt man in den performativen Dreh- und Angelpunkt der Ausstellung: Countdown 2030 richten hier während der regulären Öffnungszeiten des Museums ihr Büro ein. In dieser Zeit ist immer eine Fachperson aus Architektur oder Planung präsent und steht für Beratungen zum Thema Abriss zur Verfügung.

Ein weiterer Raum ist den Akteuren des Abrisses gewidmet: In Videointerviews kommen Protagonisten der Baubranche zu Wort und erläutern, welche Entscheide zu einem Abriss führen können. Gespräche mit Bauunternehmern, Investoren, Architekten und Behördenvertretern geben aus vielen Perspektiven Einblick in die Thematik. Ein Bildschirm zeigt den «Abriss-Atlas», der eine Sammlung der abgerissenen Gebäude in der Schweiz kartographiert.
Ausstellung findet Fortsetzung
Auch ausserhalb der Mauern des Museums und über die Dauer der Ausstellung hinaus soll die Ausstellung sichtbar bleiben. Countdown 2030 möchte, dass die Ausstellung einen gesellschaftlichen Wandel vorantreibt und die Besuchenden ermuntert, selbst aktiv zu werden. Dazu lancierte Countdown 2030 im Frühsommer 2022 die Website www.abriss-atlas.ch, die bis 2030 weiter betrieben werden soll. Alle können Informationen zu Gebäuden hochladen, denen der Abbruch droht. Bis 2029 sollen zudem in der ganzen Schweiz grossformatige Baustellenblachen Alternativen zum Abbruch aufzeigen: Die Botschaft «Umbau statt Abbruch» soll schweizweit in die Gesellschaft getragen werden.
Weitere Informationen
www.sam-basel.org
www.abriss-atlas.ch