Microtunneling-Stollen von 2,4 km Länge in Rekordzeit vorgetrieben
Beim Ausbau des Zürcher Fernwärmenetzes vom Heizwerk Hagenholz zur neuen Energiezentrale Josefstrasse sind auf einer Länge von 2,4 km drei Stollenabschnitte im Microtunneling-Verfahren vorgetrieben und dabei rekordhafte Arbeitsfortschritte erzielt worden.

Der Fernheizkanal von gesamthaft 6 km Länge setzt sich zusammen aus einem zwischen dem Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz (KHKW) und der Kaverne unten am Schacht Strickhof bestehenden gut 3 km langen Stollen und einem Neubaustrang von 2,7 km. Im Stollen zum Strickhof werden die Leitungen für den rund 200 Grad heissen Trocken-dampf fürs Hochschulquartier sowie das kalkfrei aufbereitete Heisswasser, das im Sommer etwa 90 Grad warm ist und das im Winter auf 105 Grad aufgeheizt wird, geführt. Der Neubaustollen weist drei Abschnitte auf, reicht vom Strickhof bis zur im Bau befindlichen Energiezentale Josefstrasse und umfasst vier Schacht-bauwerke. Darin werden zwei Fernwärme-leitungen für den Heizwasservor-und-rücklauf geführt. In den vier Schächten sind Leitungsabgänge zu den oberhalb befindlichen Verteilkammern zur Fern-wärmeversorgung in die Quartiere installiert. Nach der Installation der Rohr-leitungen und dem definitiven Ausbau der Schächte kann ab kommendem Herbst die Abwärme aus dem Werk Hagenholz in Form von Heisswasser zur neuen Energiezentrale geliefert werden.
Vortrieb im Microtunnelingverfahren
Bei dem auf einer Gesamtlänge von 2370 m angewandten Microtunneling-Vortrieb mit Aussendurchmessern von 3,6 m bzw. 3,8 m ist ein Meilenstein erreicht worden. Die Bohrfortschritte von bis zu 9 m pro Arbeitstag stellen einen Schweizer Rekord dar, der europaweit zu den Spitzenleistungen zählt, bilanziert die Ingenieurgemeinschaft Energie mit Locher Ingenieure AG (FF), Emch + Berger AG, Architekturbüro Graber Pulver, Durena Verfahrenstechnik AG. Die beiden von den Schächten Milch-buck-beziehungsweise Gerstenstrasse kommenden Vortriebsmaschinen haben im Juni 2020 den Zielschacht Roth-strasse erreicht. Auch die Bauarbeiten für die Energiezentrale Josefstrasse und das Anschlussbauwerk Hagenholz laufen plangemäss. Ab Frühjahr 2022 werden die ersten Gebäude in der Stadt Zürich mit Fernwärme aus der Verbindungslei-tung beliefert. Ziel ist es, dass möglichst viele fossil betriebene Heizungen durch CO2-neutrale Fernwärmanschlüsse ersetzt werden.

Projektgliederung in mehrere Baulose
Das im Jahre 2018 erarbeitete Projekt, für dessen Bau ein Kredit von 235 Mio. Fr. gesprochen worden ist, umfasst die Verbindungsleitung zwischen dem KHKW Zürich Nord und dem Gebiet Zürich West einschliesslich einer Versorgungsleitung nach Aussersihl. Die Trassierung erfolgte in einer langgezogenen Raumkurve mit einer maximalen Überdeckung von 36 m unterhalb der städtischen Bebauung. Drei Vortriebsabschnitte sind im Micro-tunneling-Verfahren ausgeführt worden: Los 1 mit 840 m Länge vom Schacht Milchbuck zum Schacht Strickhof, Los 2 mit 660 m Länge vom Schacht Milchbuck zum Schacht Rothstrasse, zu dem auch das Los 3 mit 870 m Länge vom Schacht Gerstenstrasse her führt. Hinzu kommen als Hauptarbeiten die vier Schächte Milchbuck mit 20 m Tiefe, Rothstrasse 26 m, Landenberg 34 m und Gersten-strasse 11 m, ferner Werkleitungsumle-gungen in den Schachtbereichen.
Ferngesteuertes Vollschnittverfahren
Das angewandte Microtunneling ist ein Vollschnittverfahren, bei dem unter Grundwasserniveau Rohre ferngesteuert vorgetrieben werden. Mit den dafür eingesetzten Micromaschinen lassen sich auch komplizierte Kanalbaumassnahmen zielgenau abwickeln. Diese sind so konstruiert, dass abgenutzte verschlis-sene Bohrmeissel unter Tage ausgewech-selt werden können. Beim Microtunne-ling-Vortrieb Los 1 vom Startschacht Milchbuck Richtung Strickhof war für das Bohren die auf den Namen «Claudia» getaufte Automatische Vortriebsmaschi-ne Nass (AVN) 2500D von Herrenknecht eingesetzt. Diese hat mit Aufdoppelman-tel einen Aussendurchmesser von 3,8 m. Dabei ist vom Schacht Milchbuck aus eine Strecke von 840 m Länge im geraden Vortrieb mit 2,6% Gefälle bis zur Kaverne Strickhof aufgefahren worden. Die Auskleidung besteht aus Betonrohren im Durchmesser Di/Da von 3200/3800 mm und mit einer Länge von L = 4,50 m, die eine Stärke von 30 cm und hydraulische Fugen aufweisen. Nach dem Auffahren der ersten Strecke ist die Maschine aus dem Aufdoppelman-tel herausgezogen und durch den gesamten Tunnel zurück zum Start-schacht geschleppt worden. Das Schneidrad ist nach Rückzug der Maschine ebenfalls demontiert worden. Im Schacht Milchbuck ist die Maschine gewendet worden und hat den zweiten Vortrieb von 660 m Länge zum Schacht Rothstrasse aufgenommen. Dabei erfolgte der Vortrieb mit einem Aussen-durchmesser von 3,6 m in einer leichten Richtungsänderung und mit einem Gefälle von 6,7 Prozent. Für die Micro-tunneling-Vortriebe ist von der Arbeitsge-meinschaft FWZ Implenia – Walo Bert-schinger als Partner die deutsche Spezialbaufirma Sonntag beigezogen worden, die diesbezüglich über grosse Erfahrung in ganz Europa verfügt. Der Vortrieb ist nach Angaben der Arge im Sechs-Tage-Betrieb von Montag bis Samstag abgewickelt worden. Über den Bauablauf hat Philipp Kohlschreiber von der Baufirma Implenia, Abteilung Special Foundations Trenchless, anlässlich einer Fachtagung Grabenloses Bauen des Verbands Infra Suisse berichtet.

Microtunneling vom Startschacht Gerstenstrasse aus
Für das Baulos 2 wurde unter beengten Platzverhältnissen 2019 der Startschacht von 12 m Tiefe in der Gerstenstrasse erstellt, dessen Sohle etwa 8 m unterhalb des Grundwassersspiegels liegt. Von hier aus ist der 870 m lange Stollen Richtung Rothstrasse im Microtunneling-Verfahren vorgetrieben worden. Dazu ist im Januar 2020 die 110 t schwere Maschine in den Schacht eingehoben worden, sodass Anfang Februar der Vortriebsstart erfol-gen konnte. Die eingesetzte Maschine «Erika» vom Typ AVN 2500D mit Auf-doppelmantel hatte im geraden Vortrieb eine Steigung von 6,7% aufzufahren. Der Rohrdurchmesser beträgt Di/Da = 3000/3600 mm und die Länge der Betonrohrelemente misst L = 4,50 m mit hydraulischer Fuge.

Vortrieb in anspruchsvoller Geologie
Beim Vortrieb hat sich «Erika» zunächst durch das Lockergestein bis zur Limmat vorgearbeitet und die Flusssohle mit etwa 7 m Überdeckung unterquert. Im weite-ren Verlauf erfolgte der Übergang vom Lockergestein in den Fels. Weiter bohrte sich die Maschine in steigendem Vortrieb bis zum Zielschacht in der Rothstrasse. Trotz verzögertem Vortriebsstart und teilweise schwieriger Geologie konnten die Vortriebsarbeiten termingerecht abgeschlossen werden. Gemeinsam mit dem lösungsorientierten Baustellenteam wurden die Herausforderungen erfolg-reich und unfallfrei im Schutz der heiligen Barbara gemeistert, heisst es von der Locher Ingenieure AG, welche die Federführung in der Ingenieurgemein-schaft Energie inne hat und die unter anderem für die Projektierung und Bauleitung der Microtunneling-Strecke Los 2 verantwortlich ist. Mit dem beinahe gleichzeitigen Eintreffen der Vortriebsmaschinen «Erika» (Los 2) und «Claudia» (Los 1) im Zielschacht Rothstrasse war der Lückenschluss der neuen Fernwärme-Verbindungsleitung zwischen der Kaverne Strickhof und dem Schacht Gerstenstrasse erreicht. Nach dem Durchschlag sind die beiden Microtunneling-Maschinen Ende Juni 2020 aus dem Zielschacht Rothstrasse geborgen worden.
Die Herstellung der Betonrohre erfolgte bei der Firma HABA Beton, Werk Mantel / Deutschland. Die Transportab-messungen erreichten einschliesslich Muffe 4,7 m Länge und der Aussen-durchmesser ist 3,6 bzw. 3,8 m. Dafür war bei einem Rohrgewicht von 38 t pro Stück eine begleitete Anlieferung in Sondertransporten während der Nacht erforderlich. Wöchentlich gelangten bis zu 15 Rohrelemente auf die Baustelle und sind vom Tunnelschacht aus verbaut worden. ■