Prävention: Flexible Arbeitszeit schützt Mitarbeiter

Der Coronavirus/COVID-19 geht um, die WHO hat eine weltweite Pandemie attestiert, Bundesrat und Kantone verordnen Massnahmen. Die Unternehmen sind davon besonders betroffen, in der Romandie wurden bereits Baustellen geschlossen. Das wäre vermeidbar, wenn auf dem Bau mit flexiblen Arbeitszeit­modellen gearbeitet würde. Das zeigt dieses Interview mit Benjamin Wasinger, Geschäftsleiter von Wacker Neuson AG, auf.

Welche Massnahmen haben Sie bei Wacker Neuson getroffen?
Benjamin Wasinger: Wir haben uns bereits vor drei Wochen mit der Situations­analyse der Corona-Epidemie beschäftigt und uns überlegt, welche möglichen Folgen und Konse­quenzen dies für unser Unternehmen und unsere Arbeits­kräfte haben könnte. Wir haben unsere Massnahmen mit allen Konse­quenzen auf den bestmöglichen Schutz der Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter ausgerichtet. Seit zwei Wochen leben wir nun in dieser «neuen» Welt.

Im operativen Bereich führten wir einen «Schichtbetrieb» ein, das gilt auch für sämtliche Filialen in der Schweiz. Die erste Arbeits­gruppe beginnt um 05.00 und arbeitet bis 12.45 Uhr. Die zweite Gruppe startet um 13.00 und arbeitet bis 20.45 Uhr. Würden wir in der ersten Schicht somit einen Corona­virusfall haben, wäre die zweite Schicht geschützt und nicht betroffen. Immerhin eine Reduktion des Risikos um 50 Prozent. Wir als Arbeitgeber über­nehmen hierbei jeweils die Kosten für Frühstück und Abendessen.

Grundsätzlich ist auch in den Büro­räumen ein Minimal­abstand von 2,5 Meter einzuhalten, damit die Ansteckungs­gefahr auf ein absolutes Minimum reduziert wird. Ausserdem haben wir ein strenges Versammlungs­verbot durchgesetzt und das Mittagessen wird nicht mehr gemeinsam einge­nommen. Als Sofortmassnahme haben wir Büro­container angemietet, die jetzt vor dem Haus am Hauptsitz aufgestellt sind. Ein Teil der Administration konnte dahin umziehen und so den Mindestabstand sehr grosszügig einhalten. Auch haben wir für weitere Abteilungen Homeoffice angeordnet, selbstverständlich mit entsprechender Anbindung an unsere Systeme. So bearbeiten wir auch Ersatzteil­bestellungen von Zuhause aus. Ergänzend haben wir Handhygiene­artikel und Schutzmaterial eingekauft.

Was ist das Besondere an Ihren Massnahmen?
Der Schichtbetrieb verringert die Ansammlungen und damit das Ansteckungsrisiko. Ein weiterer Faktor ist, dass die Leute nicht im Hauptverkehrs­fluss unterwegs sein müssen, was besonders im öffentlichen Verkehr problematisch ist. Das hat sich auch gut bewährt, erfahrungs­gemäss sind die Leute so bei der An- und Heimreise bei fast keinem Publikums­verkehr unterwegs und müssen nicht an Grenzen, wie in Genf, lange Wartezeiten in Kauf nehmen.

Aufgrund des Schichtbetriebs können wir täglich auch entstandene Überstunden reduzieren – sukzessive und moderat. Wir konnten dadurch die Effizienz trotz weniger Präsenz steigern, da wir zwischen 5 und 7 Uhr morgens, wie auch zwischen 17.30 und 20.45 Uhr kaum gestört werden. Somit arbeiten unsere Mitarbeiter sehr konzentriert und mit Fokus an unseren Kundenaufträgen.

Am Beispiel Genf: Der überwiegende Anteil von Arbeitskräften in Genf sind Grenzgänger und wohnen in Frankreich. In der aktuellen Lage ist es ihnen kaum mehr möglich, mit vertretbarem Aufwand an ihre Arbeitsstätte zu kommen. Dies dürfte mitunter ein Grund dafür sein, dass viele Geschäfte bereits ihren Betrieb einstellen mussten. Dies könnte durch andere Arbeitszeit­modelle vermutlich verhindert werden. Deshalb ist Genf ein gutes Beispiel für unsere Alternative.

Was kann aus Ihrer Sicht die Bauwirtschaft tun?
Die Führungskräfte und das Management sollten für solche ausserordentlichen Situationen auch kreative und ausserge­wöhnliche Lösungen und Alternativen finden. Unser Modell bei Wacker Neuson hat sich bereits sehr bewährt. Vielleicht wäre dies auch ein Modell für die Bauindustrie, falls sich die Zeiten nicht bald ändern, wohl die einzige Alternative, um den Betrieb aufrecht zu halten.

Anfänglich sind unsere Massnahmen nicht bei allen Mitarbeitenden gut angekommen. Als in der Folge die Krise aber täglich ein neues Bild zeigte und geprägt war von Einschränkungen, änderte sich die Haltung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr rasch und unsere «harten» Massnahmen wurden sehr begrüsst. Nach wenigen Wochen Erfahrung gibt es sogar Stimmen, die nachfragten, ob wir als Unternehmen nicht weiterhin solche Modelle anbieten würden.

Das freute mich natürlich sehr und zeigt auf, dass neue Wege anfänglich Widerstände bringen, es sich aber lohnt, diese neuen Ansätze auszuprobieren. Wir bewegen uns zum Teil – vielleicht in der Bauwirtschaft besonders – in sehr engen Denkmustern. Es lohnt sich, speziell in schwierigen Situationen, auf ungewohnte Weise zu disponieren. Aktuell können wir so auch Ansteckungen wirkungsvoll vermeiden und mögliche Schliessungen wegen Erkrankungen vermeiden. Diese Gedanken könnten Anstoss für ein neues Krisen­management geben, zugunsten der gesamten Branche.

Stehen mittelfristige Herausforderungen an?
Aktuell beschäftigt mich der Umstand, dass unsere Branche leider nicht sehr gut kommuniziert, obschon wir viele wichtige Arbeiten ausführen, eine Stütze der Schweizer Volkswirtschaft sind und etliche Arbeitsplätze garantieren. Damit öffnen wir für «Kritiker», wie die Unia, Tür und Tor. Jeder Bauunternehmer ist bereit, grosse unternehmerische Risiken auf sich zu nehmen, was Hochachtung verdient. Bei der Kommunikation dürften wir aber alle noch etwas mehr in die «Offensive» gehen. Ganz abgesehen davon, hat unsere Branche überhaupt keine Lobby in Bundesbern, was uns viele Nachteile bringt.

Die aktuelle Lage zeigt dies gut. Es gibt alternative Modelle, für das Umsetzen braucht es Mut und Sozialpartner, die mitziehen. Leider geht die Unia einen anderen Weg, sie fordert die Schliessung aller Baustellen und stellt eine ganze Branche unter Pauschal­verdacht, man würde die Bauarbeiter unter inakzeptablen hygienischen Bedingungen arbeiten lassen. Sollte es schweizweit zu Schliessungen kommen, wären die Konsequenzen daraus nachhaltig negativ. Der Verlust von vielen Arbeitsplätzen die wahrscheinliche Konsequenz.

Der Stellenwert der Bauwirtschaft als Arbeitgeber hat in letzter Zeit immer wieder gelitten, nicht zuletzt sind die Gewerkschaften dafür verantwortlich. Ihr Vorgehen ist unpassend.

Anpassungen und Verbesserungen sind sicher dort und da möglich. Mit den richtigen Massnahmen, welche vielerorts umgesetzt sind, müssen Baustellen aber sicherlich nicht geschlossen werden.

Zwei angemietete Bürocontainer vor dem Haus ermöglichen bei Wacker Neuson das «Social Distancing».
2,5 Meter Abstand ist das Minimum für Arbeitsplätze. Wo vorher sechs Leute drin waren, sind es jetzt nur noch zwei.

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