Baukasten für Holzhochhäuser
Fragt man nach verdichtenden, nachhaltigen und ressourcenschonenden Baulösungen, lautete die Antwort oftmals Holz und Hochhaus. An der Hochschule Luzern wurde das Potenzial von Holz-Hybridhochhäusern untersucht – und eine flexible Lösung entwickelt.
Vor wenigen Monaten hat Implenia mitgeteilt, dass in Zug das bislang höchste Holzhochhaus der Schweiz entstehen soll. Und das – nach heutiger Rechnung – dritthöchste Holzhochhaus der Welt. 27 Geschosse soll es haben, 80 Meter Höhe erreichen. 2024 könnte das Bauwerk im Auftrag der V-Zug Immobilien AG fertiggestellt sein. Gegenüber SRF gab Implenia an, dass es bei dem Projekt auch um eine gewisse Symbolik gehe. Es sei ein Zeichen für die Nachhaltigkeit. Holz könne einen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten, jeder müsse aber auch bei sich selbst ansetzen, so Tobias Hohermuth, Leiter Holzbau bei Implenia. Dass der Holzbau mittlerweile in derartige Höhen vorstösst, bekräftigt die wichtige Rolle, die er dabei spielen wird, den Gebäudepark nicht nur nachhaltiger und ressourcenschonender, sondern eben auch dichter zu gestalten. «Hochhäuser sind eine Möglichkeit, um in Städten verdichtet zu bauen. Hochhäuser in Holz- oder Holz-Hybridbauweise können dabei zudem eine umweltverträgliche Lösung darstellen, weil sie den Ausstoss von Kohlendioxid für den Bau des Gebäudeparks senken», heisst es denn auch in einer Mitteilung der Hochschule Luzern vom Februar.
In dieser Mitteilung präsentierte das Departement Technik & Architektur der Hochschule Luzern Ergebnisse des von Innosuisse unterstützten Projekts «HolzHybrid HochHaus. Typologie für Hochhäuser in Holz-Hybridbauweise zur urbanen Verdichtung. Im Projekt untersuchten HSLU-Forschende grundsätzlich das Potenzial von Holz-Hybridhochhäusern für den Städtebau der Zukunft. Und entwarfen zugleich das Konzept «Modul17», mit dem sich jene Holz-Hybridhochhäuser flexibel gestalten lassen.
Flexible Modullösung
Die Grundidee von «Modul17» erinnert an Holzbaukästen, die man aus dem Kinderzimmer kennt. Baukästen, die aus weitgehend standardisierten Elementen bestehen, aus denen sich zahllose unterschiedliche Bauwerke zusammenstellen lassen. Dasselbe soll «Modul17» im grossen Massstab sein. «Wir stellen mit dem Modul17 einen Baukasten zur Verfügung, den man immer wieder benutzen kann, ohne dass die so entstehenden Hochhäuser alle gleich aussehen», sagt Projektleiter Frank Keikut vom Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern. Das Modul bestehe zu fast 90 Prozent aus Holz und biete auf einem Grundriss von 17 mal 17 Meter und einer Höhe von rund 14,5 Meter sowohl vertikal als auch horizontal eine hohe Nutzungsflexibilität über seinen gesamten Lebenszyklus. «Sogar ein nachträglicher Umbau eines Bürohauses in ein Wohnhaus oder umgekehrt ist mit dem Modul17 möglich », erklärt Keikut. Jedes einzelne Modul wird in den Ecken von vier «Megastützen» gehalten, die die vertikalen Lasten tragen und die Gebäudetechnik in einem Hohlraum in ihrem Innern verbergen. Unter der Decke wiederum leitet ein «Megageschoss», bestehend aus raumhohen Fachwerkträgern, die Vertikallasten auf die Eckstützen weiter. Der Grundriss kann so stützenfrei gehalten werden, was die Flexibilität weiter erhöht. Eine «Megadecke» in Holz-Beton-Verbundbauweise trennt die Module voneinander ab und sorgt zusammen mit ausserhalb des Moduls liegenden Treppenhäusern aus Stahlbeton für die horizontale Aussteifung. So ausgestaltet können die Module nahezu beliebig horizontal und vertikal kombiniert werden.
Tests verschiedener Strukturen
Die einzelnen Module lassen sich mit Zwischenwänden und -decken für verschiedenste Nutzungen strukturieren. Zudem erlaubt die Struktur eine freie Gestaltung der Fassade; «von Ganzglas- bis zur wohnhaustypischen Lochfassade ist vieles realisierbar», heisst es dazu in der Mitteilung. Um die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten zu unterstreichen, «haben die Forschenden – Architektinnen, Brandschützer, Ingenieurinnen, Holzbauer, Gebäudetechnikerinnen – das Modul17 und den Prototypen in verschiedenen Stadtstrukturen getestet und hinsichtlich Statik, Gebäudetechnik, Produktion, Montage, Wirtschaftlichkeit und möglicher Finanzierungsweisen untersucht». Die Ergebnisse dazu liegen in der Publikation «Modul17. Hochhaustypologie in Holzhybridbauweise» vor»*.
Produktion ohne Energie
In der Mitteilung der HSLU wird betont, dass erst seit der Revision der Brandschutzverordnung im Jahr 2015 in der Schweiz Holzhochhäuser geplant und gebaut werden können. «Endlich ist Holz aus Brandschutzsicht den anderen Baumaterialien gleichgestellt», sagt Keikut. Damit könne das Potenzial von Holz nun auch im Hochhausbau genutzt werden. «Holz ist die nachhaltigste aller Ressourcen, die dem Bau zur Verfügung stehen», wird Keikut zitiert. Zur Produktion sei keine Energie notwendig; Kiefern, Fichten oder Buchen wachsen von allein; auch die Verarbeitung erfolge relativ energiearm. Das relativ geringe Gewicht sowie gute Möglichkeiten in der Vorfertigung werden als weitere Pluspunkte für Holzbauten angeführt. Die Verlagerung der Arbeit von der Baustelle in die Fertigungshalle, die im Zuge der Digitalisierung für viele Bauweisen Standard werde, habe im Holzbau bereits lange Tradition. «Das verkürzt die Bauzeit nicht selten um bis zu 50 Prozent und ermöglicht, die Bauabläufe exakt zu timen, was sich letztlich auch in den Baukosten niederschlägt», so Keikut.