«Entscheidend ist das echte Interesse»

Seit bald 20 Jahren beliefert die alphabeton AG den Markt mit Stützen und Pfählen. Ein Gespräch über Innovation, Irritation und Werte. Geführt mit Inhaber und Geschäftsführer Christoph Ruch und dem neuen stv. Geschäftsführer Jochen Klein.

Interview und Fotos: Beat Matter

Geschäftsführer Christoph Ruch (rechts) mit dem neuen stv. Geschäftsführer Jochen Klein.

«fachbau.ch»: Herr Ruch, Sie haben die alphabeton AG 2002 mit einer Innovations­idee im Kopf gegründet: Sie wollten Stützen aus hochfestem selbstverdich­tendem Beton produzieren, was Sie dann auch taten. Welchen Stellenwert hat Innovation heute im Unternehmen?
Christoph Ruch: Wir sind nach wie vor zu 100 Prozent ein Innovationsbetrieb. Obwohl wir auch heute noch Stützen und Pfähle aus hochfestem selbstverdich­tendem Beton produzieren, sind wir permanent auf der Suche nach neuen Produkten, weiterentwickelten Produktions­verfahren und optimierten Prozessen. Ein Beispiel aus dem Produktbereich ist unser Schraubpfahl Kidrill, den wir vor ein paar Jahren entwickelten und jetzt in Zusammenarbeit mit  der Hochschule Luzern – Technik & Architektur weitertreiben.

Wie halten Sie diese permanente Innovationstätigkeit in Gang?
Ruch: Ich glaube nicht daran, dass sich das mit Prämien oder sonstigen äusseren Anreizen wirkungsvoll machen lässt. Entscheidend ist vielmehr, dass jeder und jede im Unternehmen ein echtes Interesse hat an dem, was er oder sie macht. Ist das gegeben, dann kommen aus dem Alltag heraus immer wieder Dinge auf, die man auch anders – und womöglich besser – machen könnte.

Es braucht also die richtigen Leute.
Jochen Klein: Genau. Aber es ist aus verschiedenen Gründen schwierig, diese interessierten Fachleute zu finden. Auf Stufe Projektleiter beispielsweise sind wir in Gesprächen mit potenziellen Mitarbeitenden immer wieder mit Gehalts­vorstellungen konfrontiert, die ein produzierendes KMU realistischerweise nicht tragen kann. Bei den technischen Fachkräften und vor allem den Bauingenieuren besteht die Herausforderung eher darin, sie von der Materie der Stützen und Pfähle zu begeistern.

Wie gelingt Ihnen das?
Klein: Indem man den Fokus nicht nur auf das Endprodukt legt, sondern auch den ganzen Weg von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Einsatz in hochkomplexen Bauprojekten betrachtet. Da tut sich auch für Bauingenieure ein spannendes Feld auf, in dem sie sich vielfältig einbringen und ausleben können.

Mit wem sprechen Sie im Markt über neue Lösungen: Den Planern? Den Anwendern?
Ruch: Mit beiden. Und das immer wieder. Insbesondere in frühen Innovationsphasen machen wir intensive Vorabklärungen, ob und unter welchen Umständen ein angedachtes Produkt im Markt eine Chance hat. Aber auch bei bestehenden Produkten, die wir weiter­entwickeln und besser etablieren wollen, stehen wir in engem Kontakt mit den Planern und Anwendern. Mit unserem Kidrill beispielsweise haben wir erst jüngst wieder Schritte unternommen, um den Markt und dessen Anforderungen neu zu spüren.

Bleiben wir kurz beim Schraubpfahl Kidrill. Wie reagiert der Markt darauf?
Ruch: Da gibt es verschiedene Aspekte: Seit Markteinführung wurden rund erfreulicherweise schon 60 Kilometer des Schraubpfahls eingedreht. Dabei gab es keinen Pfahlbruch und keine Beanstandung. Entsprechend überzeugt sind nicht nur wir, sondern alle Beteiligten am System und dessen Referenzprojekten. Trotzdem sind wir im Markt mit einigen Herausforderungen konfrontiert: Den Planern fehlt es an technischen Grundlagen zum Produkt sowie auch an Erfahrung. Das zeigt sich daran, dass der Schraubpfahl bisher mehr oder weniger als gewöhnlicher Pfahl betrachtet wird. Im übertragenen Sinne werden bisher Nägel und Schrauben mit demselben Durchmesser eingesetzt in der Annahme, sie würden dieselbe Tragkraft übernehmen. Die Kostenvorteile, die der in vieler Hinsicht überlegenere Schraubpfahl gegenüber konventionellen Ortsbetonpfählen bietet, werden bis dato also gar nicht genutzt.

Sie haben mit dem Schraubpfahl nicht nur die Schweiz, sondern auch das europäische Ausland im Visier. Tut sich da etwas?
Ruch: Ein grosser europäischer Pfahlanbieter hat Interesse angemeldet. Im März hätten wir Probepfähle produzieren und liefern sollen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde das nun verschoben. Ich erhoffe mir viel davon, dass ein grosser internationaler Anbieter sehr interessiert ist an unseren Produkten. Eine geplante Lizenzierung wird durch das Nutzen von vorhandenen Synergien schneller zu weiteren Entwicklungs­möglichkeiten beitragen.

Klein: Diese internationale Perspektive ist sowohl für das Produkt als auch für die Marktbearbeitung wertvoll. Wenn der Schraubpfahl in neuen Märkten Fuss fasst, kommt er besser ins Gespräch und werden vermehrt Fachbeiträge über ihn geschrieben. Diese ganze Dynamik wird dazu beitragen, dass sich der Schraubpfahl weiter etabliert.

Die Bauwirtschaft wird im Zuge der Digitalisierung ein Stück weit gezwungen, bewährte Dinge neu zu betrachten. Führt das zu einer erhöhten Innovationslust?
Ruch: Die Bauwirtschaft hat nicht nur in den letzten Jahren, sondern in den letzten Jahrzehnten gewaltige Entwicklungsschritte gemacht. Es wird immer mehr Leistung mit immer weniger Personal erbracht. Das ist eine eindrückliche Leistung, die sich im Zuge der Digitalisierung mit Sicherheit fortsetzen wird. Bei der Innovations­freude und im Umgang mit einzelnen Innovationen spüre ich jedoch keine einheitliche Entwicklung. Es gibt Büros und Unternehmungen, die offen sind für Neues und die sich gerne von neuen Erkenntnissen überzeugen lassen. Daneben gibt es aber auch viele, die ihr Programm möglichst rasch und möglichst einfach abwickeln wollen.

BIM ist das grosse Digitalisierungsschlagwort auf dem Bau. Wo stehen Sie hier?
Klein: Wir sehen ganz klar das Potenzial von BIM-Prozessen. Umso mehr, wenn sich nicht nur die Planung, sondern auch der Bauablauf im BIM-Prozess widerspiegelt. Eine so verbesserte Planungssicherheit käme uns als produzierendem Zulieferer klar zugute. Deshalb sind wir gegenüber dieser Entwicklung sehr offen. Wir konnten schon für mehrere BIM-Projekte Stützen liefern. Bis anhin waren wir in diesen Prozessen reine Informationsbezüger. Wir holen uns also die nötigen Daten ab und erbringen basierend darauf unsere Leistung. Bereits so zeigt sich: Stehen die entsprechenden Informationen im BIM-Prozess frühzeitig zur Verfügung, bietet uns das Vorteile.

Welche anderen Möglichkeiten haben Sie, um angesichts des grossen Preisdrucks noch effizienter und günstiger zu produzieren?
Ruch: Wenn wir darüber sprechen, welches Preisniveau wir erreichen sollten, müssen wir auch darüber sprechen, wie dieses Preisniveau zustande kommt. In der Praxis ist es nämlich so, dass heute bei vielen Ausschreibungen Preisdifferenzen von 25 bis 50 Prozent zwischen uns und einzelnen Mitbewerbern liegen. Das ist eine Differenz, die Sie unmöglich durch Justierungen im Produktionsprozess ausgleichen können.

Wie kommt diese Differenz zustande?
Ruch: Sie kommt zustande, indem bei Ausschreibungen oftmals nicht die gewünschten Anforderungen offeriert und bei der Prüfung der Offerten schliesslich nicht Gleiches mit Gleichem verglichen wird. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Stützen offeriert, bei denen beim Feuerwiderstand oder bei den reduzierten Teilsicherheitsbeiwerten nicht korrekt und nicht nach Norm gearbeitet wurde. Heute sehen wir vermehrt, dass gewisse Zulieferer die Betonüber­deckung bei den Stützen verkleinern, wodurch sie weniger Stahl brauchen. Im Resultat heisst das immer wieder: Es werden unterschiedliche Produkte offeriert. Viele davon entsprechen nicht der Ausschreibung noch den Normen. Erkennen das die Kunden bei der Prüfung der Offerten nicht, dann resultiert dieser Preisunterschied von 20, 30 und mehr Prozent.

Liegt das am Preisdruck, unter dem nicht nur Sie, sondern auch Ihre Kunden stehen?
Ruch: Zweifellos. Aber es liegt auch daran, dass bei den Kunden oftmals das Know-how fehlt, um die Offerten vertieft zu prüfen. Hier wollen und werden wir künftig noch mehr Aufklärungs- und Unterstützungsarbeit leisten. Denn im  Gespräch mit seriösen Planern und Bauunternehmungen höre ich immer wieder, dass sie eine solche Offertpraxis nicht haben wollen und dass sie mittlerweile auch bereit sind, für korrekte und normgerechte Leistung vom Tiefstpreis abzuweichen.

alphabeton ist 18 Jahre alt. 15 Jahre davon herrschte auf dem Bau mehr oder weniger Hochkonjunktur. Wegen Corona wird jetzt eine rezessive Phase anbrechen. Womit rechnen Sie für den Bau? Und für den eigenen Betrieb?
Ruch: Gesamtwirtschaftlich und vielleicht auch baukonjunkturell bricht jetzt eine herausfordernde Phase an. Entscheidender als die gesamte Baukonjunktur ist für uns allerdings die Entwicklung im Stützensegment. Es gibt in der Schweiz nicht viele Stützenanbieter, deshalb hängt vieles davon ab, wie sich die einzelnen Bewerber verhalten. Glücklicherweise sind wir in der komfortablen Lage, finanziell stark und unabhängig, mit modernster Infrastruktur und langjährigen Mitarbeitern äusserst wirtschaftliche Produkte herstellen zu können. Auch wenn am Markt markante Einbrüche stattfinden, hätte dies für alphabeton AG überblickbare Konsequenzen.

Sie – Herr Ruch – sind bald 62 Jahre alt. Mit Jochen Klein steht seit Anfang Jahr ein jüngerer stv. Geschäftsführer an Ihrer Seite. Läuft da Ihr Nachfolgeprozess?
Ruch: Genau. Wir haben einen stellvertretenden Geschäftsführer gesucht, der in ein paar Jahren meinen Job übernimmt. Und wir sind froh, mit Jochen Klein eine ausgewiesene Fachperson gefunden zu haben, die sich dafür begeistern liess, im Bereich von Stützen und Pfählen innovativ und unternehmerisch tätig zu werden.

Was bringen Sie für einen Hintergrund mit, Herr Klein?
Klein: Ich bin von Haus aus Bauingenieur, habe in Deutschland studiert und später an der ETH Zürich im Bereich Stahlbau bei Prof. Fontana promoviert. In der Praxis hat es mich schon früh in Unternehmungen mit angehängter Produktion gezogen. Noch in Deutschland arbeitete ich bei einem Stahl- und Apparatebauer. Auf meine Promotion in der Schweiz folgte ein kurzer Abstecher in ein Ingenieurbüro, bevor ich als technischer Leiter in einem Gerüst- und Schalungs­unternehmen und später als technischer Geschäftsführer einer Modulbau-Unternehmung wieder in den produzierenden KMU-Bereich wechselte.

Sie haben selbst geschildert, dass Stützen und Pfähle vielfach nicht das sind, wovon Ingenieure träumen. Was reizt Sie daran?
Klein: Für mich stehen nicht nur die Produkte im Vordergrund, sondern die ganze Firma mit all den vielfältigen Möglichkeiten, die sie mir bietet. Ich erhalte hier die Chance, in einem dynamischen, inhabergeführten Unternehmen mit spannenden Produkten in allen technischen und unternehmerischen Bereichen mitgestalten zu können. Das reizt mich sehr.

Herr Ruch, welche Wertvorstellungen und unternehmerischen Ratschläge wollen Sie Ihrem Nachfolger auf den Weg geben?
Ruch: Für mich stehen Charakter und Haltung im Zentrum. Die Haltung nämlich, dass wir bei alphabeton korrekt arbeiten und damit den Anforderungen nicht nur der Kundschaft, sondern auch von uns selbst entsprechen. Das war mir immer wichtig und ist auch zukünftig unser Credo.

Jochen Klein und Christoph Ruch.
Präzise Arbeit bei alphabeton in Büron, Kanton Luzern.

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