Gerne gross
Hochhäuser erleben in den Städten eine Renaissance. Sie entsprechen dem heutigen Wohnbedürfnis nach Urbanität, Zentralität und Erreichbarkeit. Auch bergen sie Potenzial zur baulichen Verdichtung.
Keiner wollte sie mehr bauen. Zu schlecht war ihr Image. Doch seit einigen Jahren erleben Hochhäuser ein Revival – bei Investoren, Behörden und Mietern. Zurzeit sind in der Schweiz laut der Immobilienberatung Wüest Partner rund 40 Projekte mit mindestens 15 Stockwerken geplant oder im Bau, die meisten davon in den Städten Basel (7) und Zürich (8). Trotz der grossen Aufmerksamkeit, die jeweils ein neues Hochhausprojekt auf sich zieht, sind sich die Experten uneins, ob die Schweiz gerade einen Hochhausboom erlebt. «Von einer erhöhten Dynamik beim Neubau von Hochhäusern zu sprechen, trifft es wahrscheinlich besser», sagt Robert Weinert, Leiter Immo-Monitoring von Wüest Partner. Dieser Meinung ist auch Robert Stern, stellvertretender Abteilungsleiter vom Basler Planungsamt: «Tendenziell wird mehr in die Höhe gebaut». Das liege im Falle von Basel aber vor allem daran, dass die Stadt wenig Platz habe. Für Meinrad Morger vom Basler Architekturbüro Morger Partner kann man von einem Boom sprechen, der seit der Fertigstellung des Basler Messeturms im Jahr 2003 zu beobachten ist. Michael Landolt vom Zürcher Amt für Raumentwicklung spricht ebenfalls von einem Boom, der aber «eventuell bereits wieder am Abflauen ist».
Urbaner Lebensstil
Über 500 Wohnhochhäuser existieren laut Wüest Partner in der Schweiz. Rund drei Viertel dieser Gebäude wurden während der Sechziger- und Siebzigerjahre erstellt, die Hälfte davon in den Agglomerationen der grossen und mittleren Zentren. Damals waren sie die Antwort auf die starke Zuwanderung und wurden mehrheitlich in reinen Wohnzonen gebaut. Sie waren gekennzeichnet durch hohe Anonymität und fehlende nachbarschaftliche Strukturen. Heute findet der Bau von Wohnhochhäusern verstärkt in den Zentrums- und Mischzonen statt. «Das ist ein Ausdruck einer hohen Nachfrage nach urbanem Wohnen an zentralen Lagen», sagt Michael Landolt. Dort sind die Flächen knapp. Hochhäuser sind eine Antwort darauf. Mit knapp 190 Personen pro Hektar ist bei Hochhäusern die mittlere Bevölkerungsdichte fast siebenmal so hoch wie der Schnitt der restlichen Gebäudearten. Trotzdem sind Hochhäuser per se kein Garant für Dichte. Diese werde erst im möglichst kompakten Zusammenspiel mit dem bestehenden oder geplanten Stadtgefüge erzeugt, sagt Andreas Kofler, Kurator der Ausstellung «Dichtelust» im Schweizerischen Architekturmuseum. «Klug eingesetzt, können Hochhäuser einen Beitrag zur Innenentwicklung leisten», erklärt Landolt.
Die Behörden sprechen mit
Doch müsse ein Hochhaus auch im städtischen Kontext optimal platziert sein, sagt Robert Stern. Wie viele Städte hat auch Basel ein Hochhauskonzept ausgearbeitet, das festlegt, wo Hochhäuser gebaut werden dürfen und unter welchen Voraussetzungen. «Wir verlangen Testplanungen, Wettbewerbsverfahren und mehrphasige Bebauungspläne, damit wir die Qualität der Bauten sichern können», erklärt Stern. Hochhäuser müssen mit dem öffentlichen Verkehr sehr gut erreichbar sein, im Einzugsbereich von Hochleistungs- und Hauptverkehrsstrassen liegen und zusätzliche Grün- und Freiräume ermöglichen. Der Schattenwurf ist dabei ein wichtiges Thema. Er soll durch eine gute Objektplatzierung minimiert sein. Gebiete beim Bahnhof SBB, am Rhein oder etwa in Hochhausgruppen in Firmenarealen wie auf dem Roche- und Novartis-Gelände sind gemäss Hochhauskonzept geeignet. Nebst den regulatorischen Auflagen machen technische Anforderungen den Bau eines Hochhauses teurer als den eines konventionellen Objektes. Die schwere Tragkonstruktion, zusätzliche Ingenieurleistungen sowie Aufwände für die innere Erschliessung und die Sicherheit erhöhen die Erstellungskosten. Auch zielen die Investoren auf ein gehobenes Mieter- und Wohneigentümersegment, was den Ausbau wegen der höheren Standards zusätzlich verteuert. Im Vergleich zu einer konventionellen Bauweise muss laut Wüest Partner bei Hochhäusern mit rund 20 bis 40 Prozent höheren Baukosten gerechnet werden. Angesprochen auf die hohen Kosten für den Investor, relativiert die UBS-Pressesprecherin Sabrina Adam allerdings: «Wenn Hochhäuser von Anfang an intelligent konzipiert werden, sind die Kosten unwesentlich höher als bei konventionellen Gebäuden.» Die UBS ist über ihren Immobilienfonds «Sima» verantwortlich für das 100-Millionen-Franken-Projekt Claraturm, das unmittelbar beim Basler Messeturm zu stehen kommt, vom Architekturbüro Morger Partner entwickelt wurde und überwiegend 1- bis 4,5-Zimmer-Wohnungen im marktüblichen, mittleren Preissegment anbieten wird.
Wohnen im Hochhaus ist beliebt
Trotz zahlreicher Einsprachen gegen einzelne Projekte, die im Falle des Claraturms nach einer Referendumsabstimmung bis vors Bundesgericht gezogen und im Fall des Hardturm- Areals durch verschiedene Abstimmungen begleitet wurde, erfreut sich das Wohnen in Hochhäusern grosser Beliebtheit. In Basel können sich laut einer Studie aus dem Jahr 2014 54 Prozent der Befragten ein Leben in einem Hochhaus sehr oder eher gut vorstellen; in Zürich war es 2016 fast die Hälfte der 1000 Befragten. «Die Akzeptanz für Hochhäuser steigt, wenn im Gegenzug Freiräume erhalten oder geschaffen werden», sagt Andreas Kofler. Dass Mieter für eine Wohnung in einem Hochhaus mehr zahlen müssen als quartierüblich, zeigt sich laut dem Wüest Partner Immo- Monitoring 2016 nicht in jedem Fall. Es kommt auf das Stockwerk an. So zahlen Mieter in dem von Herzog & de Meuron entworfenen Meret-Oppenheim-Hochhaus am Bahnhof SBB Basel, das zurzeit Erstmieter sucht, einen Netto-Quadratmeterpreis pro Monat für eine 2,5-Zimmer-Wohnung im 6. Stock von 25, 10 Franken. Dies entspricht dem Quartierdurchschnitt. Doch in der Höhe zahlt der Mieter die Aussicht: im 14. Stock 29,60 Franken und im 23. Stock 34 Franken pro Quadratmeter. «Wir haben die Auflage des Bundes, unsere Parzellen marktgerecht zu entwickeln und eine marktgerechte Rendite zu erwirtschaften», sagt Daniele Pallecchi, Mediensprecher der SBB, denen das Hochhaus gehört. Der Bund, der Eigner der SBB, fordere standortübliche Bauten wie beispielsweise das Meret-Oppenheim- Hochhaus. Der Markt nimmt das Angebot gut auf. Es sind schon viele Wohnungen vermietet. Die Renaissance der Hochhäuser wird wohl noch anhalten. Das zeigt sich auch in den Vororten der Grosszentren. Obwohl an Orten wie Pratteln, Köniz, Ostermundigen, Dietikon oder Dübendorf weder die Lagequalität noch die Zahlungsbereitschaft der Käufer und Mieter das Niveau der Kernstädte erreicht wurden, verlief laut der CS-Studie Immobilienmarkt 2018 die Vermarktung in den meisten Fällen reibungslos.
*Natalie Grob hat diesen Artikel im Zuge ihrer Masterarbeit zum «MAS Immobilienmanagement » an der HSLU verfasst.