Fassadenverkleidung als Brandbeschleuniger ausgemacht
Die Wetterschutzverkleidung brannte völlig ab und hat zur schnellen Verbreitung des Feuers geführt, während die Wanddämmung in grossen Teilen erhalten blieb.
«Bewohner und Baufachleute sollten die Feuergefahr durch Dämmung realistisch einschätzen», rät Frank Hettler von Zukunft Altbau. «Gebäudedämmungen bestehen in der Regel aus nicht brennbaren oder nur schwer entflammbaren Materialien.» Die wesentlich grössere Gefahr für Leib und Leben der Bewohner besteht beim Brand der Inneneinrichtung. Dämmstoffe auf der Aussenseite von Gebäuden sind im Brandfall höchst selten das Problem: Sie fangen nur in fünf bis zehn Fällen pro Jahr Feuer.
Welche Rolle spielen Dämmungen?
Die meisten Brände haben, wie im Londoner Fall, ihren Ursprung in den Innenräumen von Wohngebäuden. Brandherd Nummer eins ist dabei die Küche. Hier entstehen aufgrund der Vielzahl elektrischer Geräte die meisten Wohnungsbrände. Neben technischen Defekten und Fahrlässigkeit spielt auch Brandstiftung eine Rolle bei der Entstehung von Feuer. Auch Fahrlässigkeit beim Rauchen oder dem Abbrennen von Kerzen sind häufige Brandursachen. Fassadendämmungen zählen nicht zu den Brandverursachern. Ist ein Brand entstanden, brennt zuerst die Inneneinrichtung der Wohnung, etwa Tische, Stühle, Regale, Schränke oder Betten, bevor das Feuer Fenster brechen lässt, sich über die Stockwerke nach oben ausbreitet und dort wiederum die Inneneinrichtung angreift. Erst jetzt ist die Gebäudedämmung prinzipiell in Gefahr. Da die meisten Dämmstoffe jedoch äusserst schlecht brennen, halten die Materialien einen Brand lange aus. In vielen Fällen werden mineralische Stoffe wie Glas- oder Steinwolle als Dämmmaterialien eingesetzt, die überhaupt nicht brennen können. Neben Naturdämmstoffen mit entsprechenden Zusätzen eignen sich als Dämmstoffe auch organische Stoffe wie Kunststoffschäume. Aus Kostengründen kommen dabei vor allem Dämmplatten aus Polystyrol zum Einsatz, auch EPS-Dämmplatten genannt (EPS für expandiertes Polystyrol). Sie sind in den letzten Jahren wiederholt mit Brandereignissen in Verbindung gebracht worden und damit vermehrt in Kritik geraten. Das Material Polystyrol ist grundsätzlich brennbar. Bei der Produktion der Dämmplatten fügen die Hersteller jedoch Flammschutzmittel hinzu, die die Platten schwer entflammbar machen. «Zugelassene Wärmedämm-Verbundsysteme aus Polystyrol werden seit Langem bei einer Fassadenbrandprüfung gründlich auf ihr Brandverhalten untersucht und sind hinreichend sicher», sagt Markus Weissert vom Fachverband der Stuckateure für Ausbau und Fassade Baden-Württemberg. «Zahlreiche Einrichtungsbestandteile in Privathaushalten brennen oft sehr viel leichter als die Gebäudedämmung.» Vor allem Textilien, Möbel sowie PVC-Böden fallen den Flammen schnell zum Opfer – sie brennen zudem innen und nicht aussen an der Fassade und verursachen im Ernstfall für die Bewohner giftige Rauchgase.
Brandschutz in Hochhäusern bleibt ein wichtiges Thema
Doch auch Polystyrol kann nach einiger Zeit bei hoher Temperatur brennen und abtropfen. Um das Brandrisiko bei Wärmedämm-Verbundsystemen aus EPS zu minimieren, ist bei Mehrfamilienhäusern Brandschutz Pflicht. Er verhindert die Weiterleitung des Brandes über die Dämmung auf andere Geschosse. Hauseigentümer können zwischen einem Sturzschutz oder einem Brandschutzriegel wählen: Beim Sturzschutz wird nicht brennbares Dämmmaterial, häufig Stein- oder Mineralwolle, über und neben den Fenstern aussen angebracht. Bei der Alternative Brandriegel kommt in jedem zweiten Stock über die Fenster ein um das Gebäude laufender Riegel aus nicht brennbaren Dämmmaterialien. Die Intensität und Häufigkeit der Diskussionen um brennende Dämmungen stehen im Kontrast zu den Fakten. Brennende Dämmungen gibt es jährlich nur in 0,005 Prozent aller Wohnungsbrände in Deutschland. Die Fälle, bei denen Dämmungen Feuer fangen, sind meist Fassaden, die sich noch in der Bauphase befinden. Auch wenn der Brand ausserhalb der Immobilie entsteht, etwa durch ein brennendes Auto, Feuer im Abfallcontainer oder Ansammlungen von entflammten Gegenständen am Haus, ist die Dämmung früher in Gefahr als das Gebäudeinnere.
Sicherheitsstandards einhalten
Bei Dämmstoffen gelten die gleichen Sicherheitsstandards wie bei allen anderen Baumaterialien. Bei kleinen Gebäuden mit einer Höhe unter sieben Metern, etwa Einfamilienhäusern, reicht eine normal entflammbare Fassadenbekleidung aus, da die Fluchtmöglichkeiten höher eingeschätzt werden als bei mehrgeschossigen Gebäuden. Ist eine Immobilie zwischen sieben und 22 Meter hoch, bedarf es schwer entflammbarer Systeme. Dazu gehören unter anderem Polystyrol-Dämmplatten. In Hochhäusern dürfen ausschliesslich nicht brennbare Dämmstoffe verwendet werden, etwa Steinoder Mineralwolle. «Hauseigentümer sollten bei der Dämmung mittels Wärmedämmverbundsystemen auch darauf achten, dass es sich um bauaufsichtlich zugelassene Systeme handelt», sagt Frank Hettler von Zukunft Altbau. «Sie müssen zudem fachgerecht eingebaut werden.» Für noch mehr Sicherheit sorgen die Wahl einer nicht brennbaren Fassadendämmung und die vorgeschriebene Platzierung von Abfallcontainern mindestens drei Meter vom Gebäude entfernt. Auch Gebäudeenergieberater können helfen: Sie klären neutral über die Eigenschaften einzelner Dämmmaterialien auf und helfen bei der Auswahl eines geeigneten Dämmstoffs. Ausserdem beraten sie Hauseigentümer, welche Sicherheitsvorkehrungen die Gefahr eines Wohnungsbrands reduzieren.