Kunststoff für die Sinne

Scobalit ist in der Architektur- und Bauszene der Schweiz den meisten ein Begriff. Unter diesem Namen angebotene glasfaserverstärkte Kunstharzprodukte inspirieren seit Jahrzehnten Gestaltungswillige.

Glasfaserverstärkter Kunststoff erlebt im Fassadenbau eine Renaissance.

Zuerst fiel der Präsentiertisch auf. An seinem hinteren Rand wurde ein Lichtstrahler aufgestellt, der durch die aufgestellten flächigen Produkte hindurch die eintreffenden Lunchgäste anstrahlte. Die mögliche Transluszenz ist eine der Attraktionen der Scobalit-Oberflächen. Auf den zweiten Blick konnte man entdecken, dass ins Geländer der eleganten SBCZ-Wendeltreppe verschiedenfarbige, gewellte Paneele eingeklemmt und ebenfalls bestrahlt waren. Brüstungsfüllungen sind denn auch ein häufiger Verwendungszweck von Scobalit.

Mit Farben und Formen lassen sich viele Gestaltungselemente miteinbeziehen.

Ein Material mit grosser Gestaltungsfreiheit
Farbe, Textur, Lichtdurchlässigkeit und Form – bei diesen Eigenschaften gewährt glasfaserverstärktes Kunstharz eine grosse Gestaltungsfreiheit. In der Schweiz ist das Material unter dem Namen Scobalit bekannt. Dieser hat es geschafft, von einer Firmenbezeichnung (ursprünglich Scott Bader & Co. AG) auf Produkte überzuspringen. So stellte die Firma ab den späten 1940er-Jahren einen Schalenstuhl des renommierten Designers Willy Guhl her, der mit dem Namen «Scobalit» in die Geschichte eingegangen ist. Seit 2013 produziert Scobalit, die Firma, selbst keine Elemente mehr. Mit Wehmut in der Stimme erzählte Richard Steger aus den Zeiten, als eine kleine Equipe unter seiner Leitung noch in Winterthur auf «Tischen» Elemente herstellte respektive als Sonderanfertigungen komponierte. Den Produkten haftete immer etwas Handwerkliches an. Möglicherweise verhalf dies Scobalit zu seiner Reputation, die Architekturbüros weiterhin dazu motiviert, mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten und oft ganz spezifische Wünsche anzumelden. Das Unternehmen sei heute ein Handelsbetrieb, erklärte Richard Steger. Es beziehe von verschiedenen Partnern in Europa Produkte, vornehmlich Trennelemente für den Baubereich, und vertreibe es unter dem Namen Scobalit. Irgendwie war das ein Understatement, jedenfalls wirkt das Sortiment trotz seiner Breite einheitlich, geschlossen, kombinier- und formbar. Offenbar spielt das Unternehmen die Bandbreite der Eigenschaften des Materials geschickt aus.

Fassadenprofile gibt es in allen erdenklichen Grössen und Formen.

Fassadenkonzept mit glasfaserverstärkten Kunstharzplatten
Und nach wie vor betreut die Firma Scobalit spezielle Wünsche. Dies zeigte das Beispiel Haus der Medizin in Neunkirch (SH), das am Brownbag-Lunch präsentiert wurde. Das Büro moos.giuliani.hermann architekten baute eine ehemalige Lagerhalle beim Bahnhof zum Standort für eine Praxisgemeinschaft um. Nachdem sich eine Keramikfassade mit einer unregelmässigen Oberflächenstruktur mit trapezförmigen Profilen als zu teuer erwies, gelangte es an Scobalit, dessen Material kostengünstiger und resistent gegen Emissionen aus dem Bahnverkehr ist. Die Idee mit den unregelmässigen Trapezprofilen liess sich nach den Plänen des Architekturbüros in ein Fassadenkonzept mit relativ kleinformatigen glasfaserverstärkten Kunstharzplatten übertragen. Oranges Windpapier leuchtet durch diese robuste Schutzschicht, ebenso die auf ihr angebrachte Beschriftung. An einigen Stellen wird die Scobalit-Hülle aus kompositorischen Gründen über die Fenster gezogen. Mit Keramik hätte das keinen Sinn gemacht.

*Manuel Pestalozzi ist dipl. Arch. ETHZ und Journalist BR SFJ.

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