Mit 1000 Lux zu 100% Lernleistung

Ein Team von Lichtplanern entwickelte ein zukunftsweisendes Konzept für eine Grundschule.

Die vor den Leuchten montierten Blenden reflektieren das Licht und geben es weicher in den Raum ab.

Tageslicht kurbelt die Ausschüttung von Botenstoffen wie etwa Serotonin an und fördert so unsere geistige Leistungsfähigkeit. Denn neben dem Sehen übernimmt das Auge über Blaulichtrezeptoren die Aufgabe, wichtige biologische Prozesse anzustossen. Untersuchungen zeigen: In Schulen oder Büros, die mit einem ausreichend hohen Tageslichtanteil ausgestattet sind, verbessert sich die Konzentration. Architekten und Lichtplaner haben aber gerade an Schulen nur selten die Möglichkeit von Anfang an die Nutzung des Tageslichts optimal zu planen. Meist werden alte Gebäude saniert oder nur Teile davon erneuert. Anders war das in einer Schule in Niedersachsen.

Neubau ermöglicht anderes Bauen
Die energetische Überprüfung der Astrid- Lindgren-Schule ergab, dass die Sanierung die gleichen Kosten wie ein Neubau verursachen würde. So war schnell klar: Es wird neu gebaut. Neben dem Verzicht auf feste Klassenräume – nun durch Lernlandschaften ersetzt – lag der Fokus auf einem ausgewogenen Tages- und Kunstlichtkonzept. Dafür wurde das Team von Peter Andres Lichtplanung aus Hamburg engagiert. Lichtplanerin Katja Schiebler war dabei auf die Planung der Integration zwischen Tageslicht und Kunstlicht spezialisiert und erklärt: «Das neue Lernkonzept löste die starre Sitzordnung auf und die klassische Tafel wird mit einer Vielzahl von Unterrichtsmedien ergänzt, die spezifische Anforderungen an die Beleuchtung stellen. Wir sind auf diese verschiedenen Lernsituationen eingegangen und konnten so jederzeit optimal beleuchtete Lernplätze schaffen – und vor allem vergleichbare Voraussetzungen für alle Schüler mit wohltuendem, lernorientiertem Licht.»

Pädagogisches und bauliches Konzept aufeinander abgestimmt
Gerade im Winter, wo wir uns zunehmend in Innenräumen aufhalten, ist es schwer, sich die biologisch notwendige Lichtportion abzuholen. Licht, welches sich am Tagesrhythmus orientiert und uns mit Beleuchtungsstärken über das rein visuell geforderte hinaus versorgt, kann den Schülern helfen, Merkfähigkeit, Konzentration und auch das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Professionell geplantes Licht kann zudem den circadianen Rhythmus unterstützen und hormonell biologische Vorgänge im Körper positiv beeinflussen. Für Klassenräume wird nach Norm eine Beleuchtungsstärke von 300 Lux empfohlen. Katja Schiebler: «Dieser Normwert sollte jedoch als absoluter Mindestwert etwa in den Morgen- und Abendstunden verstanden werden. Wir streben tagsüber orientiert am natürlichen Tageslichtverlauf immer eine höhere Beleuchtungsstärke von mindestens 1000 Lux über die Mittagszeit in der Mischung aus Kunst- und Tageslicht an, um der biologischen Wirksamkeit genüge zu tragen.» Dafür wurde vor allem die Tageslichtsituation im Gebäude optimiert und die geplante Dreifachverglasung der Fenster weitgehend verworfen und nur an der Nordfassade umgesetzt.

In der Eingangspartie und im Lichthof sind auch farbige Kunstlichtelemente sinnvoll.

Ohne Tageslicht geht es nicht
«Für uns war eine Tageslichtuntersuchung unerlässlich, denn wir lieben Tageslicht», beschreibt Arne Hülsmann, der im Büro Andres auf Tageslichtplanungen spezialisiert ist, das Vorgehen seines Teams. Zum Einsatz kommt dabei ein künstlicher Himmel, mit dem sich der Sonnenlauf jedes beliebigen Ortes der Erde simulieren lässt. Über 1000 Leuchtstofflampen mit Tageslichtqualität stellen das diffuse Licht des Himmelsgewölbes dar. Die künstliche Sonne und eine in den Boden integrierte Drehbühne ermöglichen die automatisch gesteuerte Sonnensimulation. Auf Grundlage dieser Untersuchung wurde ein konkretes Kunstlichtkonzept entwickelt, bei dem auf die unterschiedlichen Tageslichtsituationen im Raum Rücksicht genommen wurde. Als Ergebnis wurden die Leuchten in einer «Schwarmstruktur » angeordnet, die sich an den Stellen, an denen das Tageslicht weniger Einfluss auf den Raum nimmt, verdichtet. An den Fensterfronten, an denen das natürliche Licht vorherrscht, löst sie sich dagegen langsam wieder auf. Als Designelement wurden die gewählten Standardleuchten von Zumtobel modifiziert. Die sehr einfache Formgebung des Lichtkörpers wurde durch ein kostengünstiges Designelement, einen dynamisch geformten farbigen Holzrahmen, ergänzt und in verschiedene Richtungen gedreht. So wird die Anmutung eines «Schwarms» unterstützt und das Licht farbig an die Decke reflektiert. Katja Schiebler: «Dies gibt dem Lichtkonzept noch eine weitere gestalterische und funktionale Ebene, da jede Lernlandschaft ihre eigene Form, Farbe und Anmutung bekommt und so dem Schüler bei der Orientierung hilft.»

Gleichmässige Verteilung der Leuchten im Schulraum ergeben eine ebenso gleichmässige
Beleuchtung mit 1000 Lux.

Wege zum richtigen Licht
Die verwendete Beleuchtung erzielt eine Lichttemperatur von 4000 K, da diese bei den genutzten Lichtmengen am Tage am angenehmsten wirken und eine förderliche Arbeitsatmosphäre schaffen. Soll Licht ganztags biologisch wirksam sein, gelten laut Katja Schiebler diese drei Regeln:

  • Es ist mindestens eine Gesamtlichtmenge von 1000 lx über mind. 3 Stunden am Tag, orientiert am natürlichen Tageslichtverlauf und eine tageslichtähnliche Farbtemperatur von 4000 K, inkl. dem biologisch wirksamen blauen Bereich, einzuplanen.
  • Das Licht sollte möglichst über grosse leuchtende Flächen abgegeben werden und zudem über den oberen Halbraum ins Auge fallen.
  • Optimal ist eine dynamische Anpassung der Farbtemperatur und Beleuchtungsstärke entsprechend dem Tageslichtverlauf. Hohe Beleuchtungsstärken und kühle Lichtfarben in den späten Abendstunden sollten vermieden werden.

Kaum ein anderer Faktor beeinflusst das menschliche Leben so sehr wie das natürliche Sonnenlicht. Das gilt nicht nur für Aktivitäten in der Natur, sondern auch für den Aufenthalt in Gebäuden. Besonders Schülerinnen und Schüler benötigen viel Tageslicht und frische Luft in der optimalen Kombination. Arne Hülsmann rät, bei der Konzeption unter anderem folgendes zu beachten:

  • Alle Räume müssen mit einer sehr guten Tageslichtversorgung und entsprechenden Sonnen- und Blendschutzmassnahmen geplant werden.
  • Eine ausreichende Tageslichtversorgung kann etwa neben Seitenlichtern insbesondere auch durch Oberlichter geschaffen werden, reicht dies nicht aus, muss über Materialien, Raumgeometrie oder zusätzliche Tageslichtsysteme und dann über ergänzendes Kunstlicht nachgedacht werden.
  • Auch Aussenbereiche attraktiv gestalten – dann werden die Pausen gerne draussen verbracht.

Künstliche Beleuchtung sollte ergänzend zugesteuert werden können, die erforderlichen vertikalen Beleuchtungsstärken für Tafeln/ Whiteboards sollten blendfrei erzeugt und flimmerfrei sein.

www.andres-lichtplanung.de

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