Neuer Swatch-Hauptsitz in Biel
Nach fast fünf Jahren Bauzeit weihte Swatch den neuen Hauptsitz in Biel ein – eine der weltweit grössten Holzkonstruktionen aus der Feder des japanischen Stararchitekten Shigeru Ban.
Dieses Gebäude, das ein neues Kapitel in der Geschichte der Uhrenmarke einläutet, fordert auch baulich neue Konventionen heraus.
Imposanter Holzbau
Auf insgesamt 240 Meter Länge und 35 Meter Breite erstreckt sich die schimmernde, geschwungene Silhouette des neuen Swatch-Gebäudes. An seinem höchsten Punkt misst die Fassade 27 Meter. Das aussergewöhnliche Design bricht mit den Konventionen klassischer Bürohaus-Architektur und fügt sich harmonisch in die städtische Umgebung ein. Die Form des Gebäudes weckt die Fantasie – wie bei einem Kunstwerk liegt die Interpretation im Auge des Betrachters. Die gewölbte Fassade mit einer Fläche von über 11 000 m2 steigt Richtung Eingang und Übergang zur Cité du Temps sanft an. Aussen wie innen durchziehen verschiedene Leitmotive die Architektur des Gebäudes mit geschwungenen Formen, Farben und Transparenz sowie dem ungewöhnlichen Einsatz klassischer Materialien und Bauelemente. Eine Holzgitterkonstruktion bildet das Grundgerüst der grossflächigen Fassade. Der traditionelle Werkstoff wurde aufgrund seiner ökologischen und nachhaltigen Eigenschaften gewählt. Holz lässt sich ausserdem flexibel verarbeiten und äusserst präzise zuschneiden – wichtige Eigenschaften für eine Konstruktion, bei der es auf Millimeter ankommt. Moderne 3D-Technologie hatte während der Planung dabei geholfen, die genaue Form und Positionierung der insgesamt rund 4600 Balken der Holzgitterschale zu definieren. Mit einem ausgeklügelten Steckprinzip wurden die einzelnen Balken passgenau miteinander verbunden. Da die Holzgitterschale des Swatch-Gebäudes als grossflächige Bürofassade dient, musste sie zudem verschiedenen technischen Anforderungen gerecht werden. Ein komplexes Geflecht aus Leitungen ist diskret in ihre Struktur integriert.
Fassade mit 2800 Wabenelementen
Noch während die Holzkonstruktion errichtet wurde, begann der Einbau der insgesamt rund 2800 Wabenelemente, die den grössten Teil der Fassade ausmachen. Jedes Element wurde aus bis zu 50 Einzelteilen sorgfältig massgeschneidert und seiner individuellen Funktion und Position angepasst. Drei Arten von Waben lassen sich grundsätzlich unterscheiden: das opake, das transluzente und das transparente Element. Das reguläre opake Element stellt die Mehrheit der Waben dar. Es handelt sich um ein geschlossenes Element mit extrem witterungsbeständiger und lichtundurchlässiger Aussenfolie, das in erster Linie als Sonnenschutz dient. Einige dieser Elemente lassen sich zur Entrauchung öffnen, während andere mit Photovoltaik-Zellen versehen sind. Das transluzente Kissenelement wiederum ist mit Luft aufgepumpt und in der Mitte zur Wärmedämmung mit lichtdurchlässigen Polycarbonate- Platten versehen. Die Kissen, die auch einer Belastung durch Schnee oder Eis gewachsen sind, werden ständig leicht belüftet, damit sie dauerhaft unter Spannung stehen. Das transparente Element besteht aus durchsichtigem Glas. Zum Wärmeschutz wurden insgesamt vier Glasscheiben eingesetzt, zwischen die ein weisses Rollo eingelassen ist. Auch diese Elemente werden immer leicht belüftet, damit sich kein Kondensat bilden kann. Insgesamt neun Balkone mit einer Grösse von 10 m2 bis 20 m2 gewähren auf mehreren Etagen Aus- und Einblicke. Winzige weisse Punkte auf den Glasfassaden dienen als Sonnenschutz. 124 hölzerne Schweizerkreuze an der Decke verbessern zudem dank ihrer feinen Perforierung die Akustik in den Büros.
Olivenbäume sorgen für das richtige Klima
Im Inneren des Gebäudes verteilen sich insgesamt 25 000 m² Geschossfläche auf 5 Stockwerke für alle Abteilungen von Swatch International sowie Swatch Schweiz. Die Fläche der 4 oberen Etagen verringert sich schrittweise von Etage zu Etage. Galerien mit Glasbrüstungen ermöglichen einen Blick auf die unteren Etagen. Neben den regulären Arbeitsplätzen sind über das ganze Gebäude Gemeinschaftsflächen verteilt: eine Cafeteria im Erdgeschoss, die allen Swatch Angestellten und ihren Besuchern offensteht, sowie kleine Pausenzonen an verschiedenen Stellen im Gebäude. Wenn Privatsphäre benötigt wird, stehen separate «Alcove Cabins» zur Verfügung, in denen bis zu sechs Mitarbeiter Platz finden für Telefongespräche oder konzentriertes Arbeiten. Eine besonders ungewöhnliche Installation befindet sich ganz am Ende des zweiten Stockwerks: eine Treppe ins Nichts – sogenannte «Reading Stairs», deren Stufen und Ausblicke in Kreativpausen zum Brainstorming unter Kollegen einladen. Fünf schwarze Olivenbäume erstrecken sich bis zu 2 Stockwerke in die Höhe. Der immergrüne Bucida buceras fühlt sich bei Raumtemperatur äusserst wohl und behält das ganze Jahr über seine feinen Blätter. Das Untergeschoss erstreckt sich über die gesamte Länge des Gebäudes. Hier verbirgt sich neben Technikräumen, Lüftungszentrale und Archiv auch die Tiefgarage mit 170 Autostellplätzen und 182 Velostellplätzen.
Ein Denkmal für den Firmengründer
Der zur Nicolas-G.-Hayek-Strasse hin ausgerichtete komplett verglaste Eingangsbereich zeichnet sich durch grosszügige Dimensionen sowie Transparenz, Offenheit und Helligkeit aus. Die Zickzackform ist der Holzgitterstruktur der Fassade geschuldet, spielt aber auch eine Rolle für die Gebäudephysik, etwa für Windlasten. Diese Zickzackverglasung beginnt in 5,5 m Höhe und erstreckt sich bis auf über 27 Meter Höhe. Unterhalb dieser Verglasung schliessen sich aus der Industrie bekannte Hubstaffeltore an, die sich automatisch öffnen und schliessen lassen – eine gläserne Jalousie, die Wind und Regen standhalten und angemessen isolieren muss. Zwei gläserne Aufzüge bringen Mitarbeiter und Besucher in die oberen Stockwerke und zur ebenfalls gläsernen Fussgängerbrücke im 3. Stock, die das Swatch Gebäude mit der Cité du Temps verbindet. Galerien auf drei Stockwerken bieten Aussicht auf den Eingangsbereich.
Holz aus Schweizer Wäldern
Mit einer cleveren Grundwassernutzung zur Beheizung und Kühlung des Gebäudes sowie mit Solarstrom aus der Photovoltaik-Anlage wird massgeblich zu einer optimalen CO2 Bilanz beigetragen. Von Velospots und Ladestationen über intelligente Verdunkelungen und Verglasungen, von LED-Leuchten und hocheffizienten Lüftungen bis zur thermischen Bauteilaktivierung und papierlosem Büro: Dank modernster Technik und viel Know-how zeigt das neue Swatch-Gebäude, dass modernes Bauen und modernes Arbeiten im Einklang mit der Natur stehen können. Ausschliesslich Holz aus Schweizer Wäldern, davon hauptsächlich Fichtenholz, kam beim Bau zum Einsatz. Insgesamt wurden knapp 1997 Kubikmeter davon benötigt – eine Menge, die im Schweizer Wald in weniger als 2 Stunden wieder nachwächst.
Energienutzung mit Nachhaltigkeit
Das Energiekonzept beruht auf Solartechnologie und Grundwassernutzung und ermöglicht es, Gebäudefunktionen wie Lüftung, Kühlung, Heizung und Grundbeleuchtung sowohl für den Swatch-Hauptsitz als auch für die Cité du Temps autonom zu betreiben. Dabei sichert das Grundwassernutzungskonzept die Beheizung und Kühlung des neuen Swatch-Gebäudes. Swatch teilt sich die Ressourcen gemeinsam mit der benachbarten Cité du Temps und der neuen Omega Manufaktur, die 2017 in Betrieb genommen wurde. Neun unterirdische Brunnen sowie zwei ehemalige Öltanks, die zu Wasserspeichern umfunktioniert wurden, sind auf dem gesamten Areal verteilt. In die Wabenstruktur der Fassade wurden 442 individuell gefertigte, gebogene Solarelemente eingesetzt. Mit 1770 m2 installierter Photovoltaik werden pro Jahr rund 212,3 MWh Strom gewonnen, was dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 61 Haushalten entspricht. Ebenfalls ein Entwurf von Shigeru Ban bildet die Cité du Temps auf 80 × 17 × 28 Meter eine eigenständige architektonische Einheit, die dennoch das Swatch-Gebäude perfekt ergänzt. Jede ihrer insgesamt 14 Arkaden hat eine Spannweite von 15 Metern und ist 5 Meter breit. Die Cité du Temps beherbergt das Omega-Museum auf der 1. Etage sowie Planet Swatch auf der 2. Etage. Die der Swatch Group vorbehaltene Nicolas G. Hayek Conference Hall im 4. Stock sticht mit ihrer Ellipsenform besonders prominent hervor.