PlusEnergie-Bauten sind die Kraftwerke der Zukunft
Die Verleihung des 29. Solarpreises stand dieses Jahr ganz im Zeichen der Klimadebatte. Nur logisch, dass dabei PlusEnergie-Bauten eine besondere Bedeutung erfuhren. Wir haben unter den Gewinnern drei Beispiele entdeckt, die wir gerne etwas genauer vorstellen möchten.
Ein PlusEnergieBau (PEB) ist ein optimal gedämmtes Gebäude (bei Neubauten mindestens Minergie-P/Passivhaus oder vergleichbarer Baustandard ≈ 0,07-0,12 kWh/ m2a), das durch die Integration von Photovoltaik- Anlagen und thermischen Sonnenkollektoren mehr Energie erzeugt (mindestens +1 kWh/m2a), als es im Jahresdurchschnitt für Heizung, Warmwasser und Strom benötigt. Die überschüssige Energie liefern die PEB als Strom oder Wärme an das öffentliche Netz oder an Dritte. Am 18. Oktober 2019 wurden in Genf die Schweizer Solarpreise und die Norman Foster Solar Awards vergeben. Der Direktor des Bundesamtes für Energie, Benoît Revaz, war bei der Preisverleihung dabei und gratulierte gemeinsam mit zahlreichen Vertretern aus Politik und Wirtschaft den Preisträgern.
Eine Fabrikationshalle als PlusEnergie-Bau in Werthenstein
Die PV-Anlagen des aus Schweizer Holz realisierten Industrie- und Forschungsgebäudes der Firma SIGA in Werthenstein LU wurden Ende 2018 in Betrieb genommen. Dank der Wärmerückgewinnungsanlage und der Verwendung von LED-Lampen liegt der Energiebedarf bei bloss 319 100 kWh/a. Die 432 kW starke, ost-westlich ausgerichtete PV-Anlage auf dem Dach erzeugt zusammen mit der süd-westlich ausgerichteten 40 kW starken Fassadenanlage insgesamt 379 200 kWh/a. Die Eigenenergieversorgung liegt damit bei 119%. Mit dem Solarstromüberschuss von 60 100 kWh/a können 43 Elektrofahrzeuge jährlich je 12 000 km CO2-frei fahren. Der bisherige Produktionsstandort in Schachen LU wurde 2018/2019 mit einem Forschungs- und Innovationscenter sowie einer Fabrikationshalle von 5000 m2 erweitert und das in den 1990er-Jahren errichtete Bürogebäude energetisch saniert. Die ost-westlich ausgerichtete PV-Dachanlage wurde durch eine teilweise transluzide 39,7 kW starke PV-Fassadenanlage ergänzt. Letztere dient zugleich als Beschattung des Innenraumes. Dank der vorbildlichen Wärmedämmung von bis zu 51 cm, der vollständigen Ausstattung mit LED-Lampen und der Abwärmenutzung für die Gebäudeheizung weist der Neubau einen Gesamtenergiebedarf von 319 100 kWh/a auf. Die PV-Anlagen produzieren 379 200 kWh/a. Nach der geplanten Aufstockung ist eine vollständige solare PV-Dachnutzung mit einer PV-Produktionssteigerung von etwa 190 000 kWh/a vorgesehen. Das gut gedämmte Industriegebäude weist einenSolarstromüberschuss von 60 100 kWh/a auf, welcher für den CO2-freien Verkehr zur Verfügung steht. Der Solarstromüberschuss ermöglicht 43 Elektrofahrzeugen jährlich 12 000 km CO2-frei zu fahren. Sechs Ladestationen stehen für Elektroautos gratis zur Verfügung. Die Nutzung von Schweizer Holz für die Industriehalle und die Gebäudefassade sowie der Bau eines Naturgartens runden die vorbildlichen ökologischen Bau- und «Umweltbestandteile » des Baus ab.
Ein MFH in Küsnacht
Das gut gedämmte Vierfamilienhaus Hutter in der Zürichseegemeinde Küsnacht entspricht dem Minergie-P-Baustandard. Der Gesamtenergiebedarf des Holzelement-Neubaus mit Erdsonden-Wärmepumpe beträgt 19 200 kWh/a. Die gut integrierte 21 kW starke PV-Dachanlage und die an Schiebeläden montierte Fassadenanlage mit 3,9 kW generieren 17 400 kWh/a. Die solarthermische Anlage mit 16 m2 auf dem Garagendach liefert 5300 kWh/a Wärmeenergie. Das PlusEnergie-Mehrfamilienhaus weist eine Eigenenergieversorgung von 22 700 kWh/a oder 118% auf. Der Solarstromüberschuss beträgt 3500 kWh/a. Damit können zwei Elektrofahrzeuge je 12 000 km pro Jahr CO2-frei fahren. Das seit Mitte Februar 2019 fertiggestellte Vierfamilienhaus Hutter liegt in der Gemeinde Küsnacht. Dank dreifacher Fensterverglasung und Komfortlüftung erfüllt das PlusEnergie-Mehrfamilienhaus (MFH) den vorbildlichen Minergie-P-Standard. Die Dämmung sorgt zusammen mit der Erdsonden- Wärmepumpe, den LED-Lampen und den A+++ Haushaltsgeräten für einen tiefen Energiebedarf von 19 200 kWh/a. Die PV-Anlage ist ideal auf dem Dach mit schrägem First integriert, wodurch sich das MFH gut in das Stadtbild einfügt. Die Photovoltaik- Schiebeläden an der Süd-Westfassade dienen gleichzeitig als Sonnenschutz. Die insgesamt 24,6 kW starke PV-Anlage erzeugt rund 17 400 kWh/a, die auf dem Garagenvordach gut integrierte 16,3 m2 grosse Solarthermie-Anlage rund 5300 kWh/a. Die thermische Anlage erreicht zusammen mit der PV-Anlage eine Eigenenergieversorgung (EEV) von rund 22 700 kWh/a oder 118%. Der Holzbedarf für ein Stimmungsfeuer von 0,5 Ster oder 780 kWh/a wird durch den eingespeisten Solarstromüberschuss von 3500 kWh/a mehr als kompensiert. Die gelungene Integration der Solaranlage auf dem Dach, die PV-Schiebeläden und die Solarthermie-Anlage sind stimmig in den Holzelement-Neubau eingegliedert. Das ästhetisch ansprechende Plus-Energie-MFH verdiente sich den Norman Foster Solar Award 2019.
PlusEnergie für eine ganze Wohnsiedlung
Die im Jahr 2017 erstellte PlusEnergieÜberbauung in Tobel besteht aus drei Mehrfamilienhäusern (MFH) mit 32 Wohnungen. Im März 2019 wurden sie durch eine perfekt integrierte 51,5 kW starke PV-Fassadenanlage ergänzt, die rund 28 300 kWh/a erzeugt. Die solare Winterstromversorgung steigt mit dem zusätzlichen Fassadenstrom im Winter um 9600 kWh/a auf 61 800 kWh/a oder von 65% auf 77% des gesamten Winterstrombedarfs von 80 000 kWh/a. Zusammen mit den 208 000 kWh/a der PV-Dachanlage erzeugt die PEB-Siedlung rund 236 200 kWh/a und deckt den Gesamtenergiebedarf von 129 500 kWh/a zu 182%. Mit dem CO2-freien Solarstromüberschuss können 77 E-Autos oder 60 Teslas jährlich je 12 000 km CO2-frei fahren. Die solarbetriebene PEB-Siedlung Tobel mit preisgünstigen Mieten zeigt vorbildlich, wie die Energiewende und das Pariser Klimaabkommen bereits heute kostengünstig umsetzbar sind.
Erhöhung der Winterstromversorgung
Mit der Sanierung bzw. PV-Ergänzung der PEB-Überbauung in der Thurgauer Gemeinde Tobel peilte die Eigenverbrauchsgemeinschaft die Erhöhung der Winterstromversorgung an. Der Gesamtenergiebedarf für die 32 Minergie-P-/PEB-Wohnungen beträgt ca. 129 500 kWh/a. Die 233 kW PV-Dachanlage erzeugte bisher 208 000 kWh/a; mit der nachträglich von Prof. Dr. Roland Krippner an den Balkonbrüstungen konzipierten, vorbildlich installierten 51,5 kW starken PV-Fassadenanlage werden 28 300 kWh/a erzeugt. Dadurch erhöht sich der Winterstromanteil um rund 12% oder 9600 kWh/a. Die solare Winterstromversorgung steigt von 52 235 auf 61 835 kWh/a und deckt nun statt 65% neu 77% des Winterstrombedarfs von 80 000 kWh/a. Würden die Ost-West-Fassaden ebenfalls solar genutzt, könnte die PEB-Überbauung eine Winterstromversorgung von rund 115% ausweisen. Zusammen produzieren beide PV-Anlagen 236 300 kWh/a und sichern eine Eigenenergieversorgung von 182%. Dennoch sind die Mieten 20% tiefer im Vergleich zu ähnlichen Wohnungen in der Region: Die PV-Anlagen produzieren nach zwei «Pay-Back-Time-Jahren» CO2-freien Solarstrom für etwa 10 Rp./kWh. Das ist etwa die Hälfte des lokalen Netzstrom-Preises von 20 Rp/kWh. Die Eigenverbrauchsgemeinschaft mit CarSharing kann den Gebäudeund Verkehrsenergiebedarf der 32 PEB-Wohnungen vollständig mit CO2-freiem Solarstrom versorgen. Die PEB-Siedlung Tobel zeigt beispielhaft, wie rasch und preisgünstig das Pariser Klimaabkommen umgesetzt werden kann – sogar mit 20% günstigeren Mietzinsen im Vergleich zu ähnlichen Wohnungen in der Region. Die PEB-Siedlung Tobel verdiente so den Norman Foster Solar Award 2019.